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Personal Kaban: <br>Löschen oder neu priorisieren? Altersflecken für hartnäckige Kanban-Karten

Um meine persönliche Arbeit Tag für Tag zu planen, verwende ich ein Persönliches Kanban-System. Darin sind sowohl meine geschäftlichen Aktivitäten enthalten als auch die Dinge, die mich privat beschäftigen und auf Trab halten. Die Idee dazu stammt aus der Personal Kanban Community und wurde von Jim Benson und Tonianne DeMaria Barry ganz hervorragend in ihrem Buch “Personal Kanban” beschrieben.

Eine Sache, die mir dabei immer wieder auffällt, ist die hohe Anzahl an Tätigkeiten, die sich kurzfristig in meinen Tagesplan einschleichen: Dinge, die spontan erledigt werden müssen und solche, die sich als Folge von Erledigungen des Vortages ergeben. Dementsprechend wenige Kanban-Karten ziehe ich aus meinem Backlog in die Bereit-Spalte. Passiert das einige Tage oder gar Wochen hintereinander, so fallen mir immer mehr Karten in meinem Backlog auf, die älter und älter werden und scheinbar schlechte Aussichten darauf haben, jemals in der In Arbeit-Spalte meines Kanban-Systems zu landen. Tätigkeiten altern, bis das Verstreichen der Zeit sie wertlos werden läßt – oder das Ignorieren sich vielleicht doch rächt, weil sie mittlerweile durch Liegenlassen an Kritikalität stark zugenommen haben. Was also tun?

Backlog Grooming

Grundsätzlich geht es hier natürlich um die Frage, wie ich die Pflege meiner Offene-Punkte-Liste betreibe, im Englischen Backlog Grooming genannt. David J. Anderson beispielsweise schlägt für die von ihm beschriebenen Kanban-Systeme ein Triage genanntes Meeting vor, während dessen die Projektentscheider für alle Punkte des Backlogs festlegen, ob diese gelöscht oder beibehalten werden. Dabei geht es ihm aber um die Gesamtgröße des Backlogs, die bei Überschreiten eines Richtwertes auf eine handhabbare Menge reduziert werden soll. Da ich die Entscheidung über Löschen oder Beibehalten für mein persönliches Backlog ganz allein treffen muß, möchte ich allerdings einen besseren Indikator haben als einzig und allein mein Bauchgefühl. Außerdem ist das Entfernen von Punkten, die scheinbar eine schlechte Chance auf Erledigung haben, nur eine Möglichkeit; denn vielleicht fehlt es auch einfach nur an visuellem Feedback, um alternden Kanban-Tätigkeiten in der täglichen Arbeitsplanung etwas mehr Gewicht zu verleihen. Schauen wir uns doch einfach ein paar Möglichkeiten an.

Möglichkeit 1: Überaltete Tätigkeiten eliminieren

Tue Sachen, die du nicht wegwerfen magst, in eine Kiste und schreibe das Datum darauf; wenn du erst nach zwei Jahre wieder auf diese Kiste schaust, schmeiß sie einfach weg.

Die erste Möglichkeit, die mir zum Umgang mit den schwerfälligen Tätigkeiten meines persönlichen Kanban-Boards einfällt, orientiert sich noch relativ dicht an der Idee des Backlog Grooming. Allerdings stehe ich alleine vor meinem Kanban-System und möchte vermeiden, daß ich aus einer Laune heraus Einträge für nichtig erkläre und zerknüllt in den Papierkorb befördere. Um nicht einzig und allein aus dem Bauch heraus zu entscheiden, ob eine Tätigkeit gestrichen werden kann, möchte ich zumindest ein weiteres Kriterium berücksichtigen: Wie lange hängen bestimmte Zettel eigentlich schon an der Wand?

Für ein Software-Kanban-System, daß ich vor einiger Zeit in einer zehnköpfigen Entwicklungsabteilung eingeführt habe, bestand die Lösung dieser Frage darin, auf jeder Kanban-Karte bei ihrer Erstellung das aktuelle Tagesdatum zu notieren. Somit war relativ schnell zu erkennen, welche Tätigkeiten sich als bleiern herausstellten und schon im vorigen Quartal festgestellt und ins Backlog aufgenommen wurden, sich aber seitdem nicht mehr bewegt hatten.

Dasselbe Prinzip könnte ich für meine persönlichen Kanban-Karten auch übernehmen: Datum drauf, dann allwöchentlich prüfen, ob sich Tätigkeiten auffinden lassen, die schon zwei Monate reglos verharren. Ist dies der Fall und ist mir beim Lesen der auf der Karte notierten Tätigkeit klar, daß diese wirklich entbehrlich ist, dann kann ich die Kanban-Karte wegwerfen.

Eigentlich gefällt mir diese Lösung nicht, denn sie verkompliziert mein persönliches Kanban-System, das doch so wunderbar einfach ist. In einem Kanban-System für eine ganze Abteilung professioneller Softwareentwickler bin ich es gewöhnt, daß Kanban-Karten viele Merkmale mit sich bringen müssen: Die Farbe des Klebezettels signalisiert die Serviceklasse der Tätigkeit, Datumsangaben halten fest, wann die Aufgabe entdeckt, eingeplant und erledigt wurde. Fälligkeitsdaten müssen ebenso festgehalten werden wie das zugehörige Projekt oder die Aufgabenkategorie, anhand derer sich die Kanban-Karte durch eine bestimmte Zeile des Kanban-Systems bewegt. Mein persönliches System ist dagegen viel einfacher: Ein Mann, eine Zeile, fünf Spalten, zwei Work-in-Progress-Limits. Ein Haufen gelber Klebezettel mit Tätigkeiten darauf notiert, das ist alles.

Möglichkeit 2: Priority Buckets

Die zweite Möglichkeit wird noch aufwendiger als die erste, aber ich ziehe sie trotzdem für eine Weile in Erwägung, da sie auf sehr charmante Art und Weise eine Priorisierung meines Backlogs vornehmen würde. Corey Ladas hat in seinem Buch Scrumban beschrieben, wie Kanban-Karten innerhalb eines Backlogs Spalten mit steigender Priorität durchlaufen. Für mein eigenes Backlog könnte ich beispielsweise festlegen, daß ich die wichtigeren Tätigkeiten nicht im Meer der anderen Karten belasse, sondern in eine der Spalten mit den Priroritäten 1 bis 3 ziehe. Um dem Antipattern 80% unserer Anforderungen haben Prio 1 zu entgehen, hat jede Prioritätsspalte innerhalb des Backlogs ein Limit, vergleichbar mit dem Work-in-Progress-Limit meiner Spalten In Arbeit und Blockiert. Vielleicht lege ich die Limits folgendermaßen fest: 2 Kanban-Karten mit Priorität 1, 4 Karten mit Priorität 2 und 8 Karten mit Priorität 3. Alle anderen Karten des Backlogs, die ich nicht in diesen Spalten unterbringe, bleiben von ihrer Priorität her zunächst undefiniert.

Was habe ich nun für mein persönliches Kanban-System gewonnen? Die Prioritäten innerhalb des Backlogs sind expliziter geworden; das Problem alter Karten im Backlog habe ich damit aber noch nicht gelöst. Damit Abhilfe geschaffen wird, müßte ich beim Auffüllen freier Plätze in den Prioritätsspalten zusätzlich zum Text auf den Karten auf deren Alter achten und dieses angemessen berücksichtigen. Also doch ein Datum auf den Karten vermerken und dieses im Kopf überschlagen? Vielleicht geht es auch einfacher.

Möglichkeit 3: Altersflecken für reglose Tätigkeiten

„Trägheit lässt altern”. Nach diesem Motto habe ich meine eigene Variante der Prioritätssteigerung ersonnen, die mir in der Durchführung etwas simpler, aber ähnlich wirksam erscheint: Wenn Kanban-Karten allzu lange im Backlog verweilen, bekommen sie nach und nach „Altersflecken”. Das Ganze funktioniert folgendermaßen:

  • Ich erstelle meine Kanban-Karten wie gehabt: Auf einen gelben Klebezettel schreibe ich die durchzuführende Tätigkeit und sonst nichts — kein Erstellungsatum, kein Endtermin.
  • Jeden Montagmorgen male ich einen schwarzen Punkt in die untere rechte Ecke jeder Kanban-Karte, die in meinem Backlog hängt — damit ist die jeweilige Karte um eine Woche „gealtert”.
  • Jeden Morgen, wenn ich entscheide, welche Karten in die Spalte Heute meines Kanban-System gepullt werden, achte ich auch auf die Menge der Flecken, die manche Karten aufweisen; Karten mit vielen Flecken fallen dabei besonders auf.

Im Grunde erreiche ich nun genau das, was ich wollte: Mit einem einzigen weiteren Merkmal auf meinen Kanban-Karten kann ich zwei Aspekte abdecken:

  • Die Altersflecken auf den Karten bilden eine zweite Dimension für die Priorisierung meiner Arbeit.
    Ich lese nun nicht nur den Text auf der Kanban-Karte, sondern achte zusätzlich auf die Anzahl der Flecken. So erreiche ich, daß eine lange aufgeschobene Tätigkeit von geringerer Wichtigkeit irgendwann bei meiner Pull-Entscheidung ebenso viel wiegt wie eine wichtigere Tätigkeit, die frisch ins System gelangt ist.
  • Eine hohe Anzahl an Altersflecken signalisiert die Notwendigkeit des Backlog Grooming.
    Verfügt eine Karte über sehr viele Altersflecken und hängt immer noch im Backlog, muß ich ernsthaft darüber nachdenken, ob ich diese Tätigkeit nicht tatsächlich lösche. Wird eine bestimmte Anzahl an Flecken erreicht, vielleicht 5 oder 6, sollte ich eine Entscheidung treffen: Entweder wird die Kanban-Karte nun in Bearbeitung genommen, oder ich trenne mich von ihr und entferne sie ersatzlos vom Backlog.

Für mein persönliches Kanban-System halte ich diese dritte Möglichkeit für die beste Lösung. Ich werde sie in den kommenden Monaten ausprobieren und dann in einem weiteren Artikel darüber berichten, welche Erfahrungen ich damit gemacht habe.